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Eignungstests für Schulbegleithunde

Chancen, Risiken und Alternativen

Foto: Stock.Adobe.com – furyon, generiert mit KI

Der Einsatz von Schulhunden bietet eine große Bereicherung für die pädagogische Arbeit, erfordert jedoch eine sorgfältige Vorbereitung. Insbesondere die Frage der Eignung eines Hundes für den Einsatz in Schulen wird häufig durch standardisierte Tests adressiert. Diese Vorgehensweise ist jedoch kritisch zu betrachten, da Tests nicht alle Faktoren berücksichtigen können, die für die Arbeit als Schulhund relevant sind. 

Standardisierte Eignungstests: Begrenzte Aussagekraft und Risiken

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)[i] empfiehlt vor dem Einsatz eines Hundes als Schulbegleithund die Durchführung eines Wesenstests, der Eigenschaften wie Temperament, Unerschrockenheit oder Unterordnungsbereitschaft bewerten soll. Wie der Begriff „Unterordnungsbereitschaft“ schon zeigt, beruht diese Empfehlung jedoch auf veralteten kynologischen Konzepten, wie der „Triebtheorie“, die modernen wissenschaftlichen Ansätzen nicht mehr entspricht. 

Tests, die Belastungssituationen mit plötzlichen Schreckreizen (z. B. Scheppern) oder übergriffigem Verhalten beinhalten, bergen zudem erhebliche Risiken: 

  • Fehlkonditionierung: Hunde können in Testsituationen ungünstige Lernerfahrungen machen, die zu langfristigem Abwehr- oder Stressverhalten führen. Ein Beispiel ist ein Hund, der nach einer plötzlichen Umarmung im Test generalisierte Ängste gegenüber älteren Menschen entwickelte und danach nicht mehr für den Einsatz geeignet war. 
  • Nicht erlernbare Strategien: Ohne vorheriges Training fehlen Hunden oft die nötigen Bewältigungsstrategien, um belastende Situationen zu meistern. Dies kann den Hund dauerhaft negativ beeinflussen, zudem plötzliche Schreckreize und die Reaktion des Hundes darauf kaum generalisiert zu trainieren ist.
  • Paradoxon der Eignung vor der Ausbildung: Hunde können nur dann sicher und nachhaltig als Schulbegleithunde eingesetzt werden, wenn sie schrittweise an die Herausforderungen des Schulalltags herangeführt werden. Dieses vorbereitende Training erfordert Fachwissen über Hundeverhalten, das angehende Schulhund-Teams jedoch oft erst in einer fundierten Weiterbildung erwerben. Hierbei entsteht ein Paradoxon: Die Vorbereitung, die eine Einschätzung der Eignung überhaupt erst möglich macht, kann erst nach dem Start der Ausbildung erfolgen.

Eignung ist ein dynamischer Prozess

Fachleute wie Olbrich und Wohlfarth betonen in ihrem Leitfaden „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen“[ii], dass die Eignung eines Hundes nicht in einmaligen Testsituationen festgestellt werden kann. Vielmehr entwickeln sich Hunde ein Leben lang, und ihre Einsatzfähigkeit hängt von individuellen Erfahrungen und der Beziehung zur Bezugsperson ab. 

Der QNS e.V.[iii], der Standards für Weiterbildungen in der tiergestützten Arbeit entwickelt, schlägt vor, die Eignung durch langfristige Beobachtungen in praxisnahen Situationen zu bewerten. Dies ermöglicht eine dynamische Einschätzung des Mensch-Hund-Teams, die den Anforderungen der späteren Einsatzfelder besser gerecht wird. 

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) e.V.[iv] setzt als Basis auf die Sachkunde der Einsetzenden in der Tiergestützten Intervention und ergänzt, dass der Schutz des Hundes oberste Priorität haben muss. Dies erfordert, dass die Bezugsperson fachlich geschult und in der Lage ist, das Wohlbefinden des Hundes objektiv einzuschätzen. 

Der Wunsch nach Sicherheit: Zwischen Bedarf und Realität

Es ist nachvollziehbar, dass Einsetzende vor der Investition von Zeit und Geld in eine Weiterbildung eine Art Gewissheit über die Eignung ihres Hundes suchen. Ein bestandener Hundeführerschein, Wesens- oder Eignungstest vermittelt jedoch nur bedingt Sicherheit: 

  • Begrenzte Aussagekraft: Viele Tests bewerten vor allem alltagstaugliches Verhalten und Grundgehorsam, nicht jedoch die spezifischen Anforderungen des Schulalltags. 
  • Unzureichende Vorbereitung: Ohne eine umfassende Schulung der Bezugsperson können selbst bestandene Tests keine langfristige Eignung garantieren. 

Alternativen zu Tests: Beobachtung und Schulung

Statt auf standardisierte Tests zu setzen, sollten folgende Ansätze im Vordergrund stehen: 

  • Praxisnahe Einschätzung: Die grundlegende Eignung sollte durch die Beobachtung des Mensch-Hund-Teams in realitätsnahen Situationen, etwa im Rahmen eines Orientierungskurses oder Coachings, erfolgen. 
  • Schulung der Bezugsperson: Fundiertes Wissen über Ethologie und Hundeverhalten ist essenziell, um den Hund auf Belastungssituationen vorzubereiten und sicher durch den Schulalltag zu begleiten. 
  • Kontinuierliche Begleitung: Regelmäßige Beobachtungen und Anpassungen des Trainings sind notwendig, um die Belastbarkeit des Hundes nachhaltig zu gewährleisten. 
  • Vermeidung von Schreckreizen: Tests mit plötzlichen Belastungen führen häufig zu Fehlkonditionierungen und gefährden die Eignung und Belastbarkeit des Hundes. 

Die Bedeutung der Mensch-Hund-Beziehung

Das Verhalten eines Hundes hängt – neben seinen Lernerfahrungen – stark von der Beziehung und Bindung zu seiner Bezugsperson ab. Diese Beziehung muss als „sicherer Hafen“ durch den Hund wahrgenommen werden und entscheidet maßgeblich darüber, wie belastende Situationen gemeistert werden. Zudem ist es essenziell, dass der Wunsch, einen Hund in der Schule einzusetzen, nicht das Wohl des Tieres überlagert.

Fazit: Eignung ist individuell und dynamisch

Eignungstests können keine langfristige Eignung eines Hundes garantieren und sind angesichts der Risiken oft kontraproduktiv. Wichtiger sind: 

  • Reflexion der Bezugsperson: Eine ehrliche und kritische Selbsteinschätzung ist essenziell, um den Hund nicht über seine Belastungsgrenzen hinaus einzusetzen. 
  • Individuelle Förderung: Hunde mit ihren unterschiedlichen Charaktereigenschaften können nur durch gezielte Vorbereitung und Begleitung optimal unterstützt und entsprechend ihren Stärken und Vorlieben eingesetzt werden.
  • Kontinuierliche Beobachtung: Dynamische Einschätzungen in praxisnahen Situationen und kontinuierliche Begleitung sind entscheidend. 
  • Fachliche Schulung: Die Bezugsperson muss über fundiertes Wissen verfügen, um den Hund sicher zu führen und sein Wohlbefinden zu wahren. 

Schulhunde können eine wertvolle Bereicherung sein, wenn ihre Eignung durch ein individuelles, dynamisches und hundegerechtes Vorgehen beurteilt wird. Sicherheit und Wohlbefinden des Hundes stehen dabei immer an erster Stelle. 

Quellen:


[i] Sicherheit und Hygiene beim Einsatz von Schulhunden. (2017). In DGUV Pluspunkt (Bd. 2)

[ii] Wohlfarth et al., 2014, Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der Praxis tiergestützter Interventionen

[iii] Qualitätsnetzwerk Schulbegleithunde e.V., 2023, Standards für QNS-Anbieter*innen von Mensch-Hund-Team-Weiterbildungen

[iv] TVT-Informationsflyer zum TVT-Sachkunde-Test TGI Hund, Tiere im sozialen Einsatz, Aug. 2018

Weiterführende Literatur finden Sie hier.

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